Hier die Predigt unseres Urlauberseelsorgers Pfr. i.R. Helwig Bröckelmann:
Vom Sämann (Lukas 8,4-8)
Als nun eine große Menge beieinander war und sie aus den Städten zu ihm eilten, redete er in einem Gleichnis: Es ging ein Sämann aus, zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges auf den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßens auf. Und einiges fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte. Und einiges fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten es. Und einiges fiel auf gutes Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht. Als er das sagte, rief er: Wer Ohren hat zu hören, der höre!
Welch schönes Bild schon Anfang Februar, das schon die Frühjahrssonne aufscheinen läßt: Im Märzen der Bauer die Rößlein einspannt …… er pflüget den Boden, er egget und sät… Man sieht ihn gleich vor sich, und vielleicht kommt das wundervolle Bild van Goghs in Erinnerung. Und am Ende steht die Freude über die wundervolle große Ernte. Doch es gibt ja nicht nur etwas zu sehen. Mehr noch: Wer Ohren hat zu hören, der höre. Und dabei schleicht sich Unbehaglichkeit ein. Wer ist eigentlich dieser Sämann, der so ungeschickt und rücksichtslos drauflos sät? Und was ist die Saat, die zu dreiviertel verloren geht? In den vorausgehenden Geschichten und Erzählungen hat der Evangelist von der guten Botschaft des Evangeliums erzählt, von der Wirkung des heilenden Wortes, vom Wunder der Vergebung, von der Botschaft des Friedens für alle Welt. Daraus läßt sich wohl schließen, dass alle die, denen diese frohe Nachricht gilt, nun selber Träger des Wortes sind. Säleute, auf den Äckern dieser Welt. Wenn diese Deutung richtig ist, läßt sich resigniert feststellen, dass das Scheitern vielfältiger ist, als das Gelingen. Dann wäre unser Gleichnis vielleicht einmal nicht von seinem guten Ende, sondern von den Erfahrungen der Versäumnisse, der Fehler, des Scheiterns zu lesen. Läge es damit nicht viel näher an den gegenwärtigen Erfahrungen nicht nur innerhalb unserer Kirche, unserer Gemeinde, sondern auch an dem, was die Menschen in diesen Zeiten um uns herum in Schule, Betrieb, im Versuch der Abwendung der Epidemie erleben und erleiden anzuknüpfen? Ein Gleichnis vom Scheitern? Bestünde dann das Angebot im ehrlichen Nachdenken und Bedenken unserer vergeblichen Bemühungen, im Untergehen des guten Saatguts zwischen Steinen, Dornen und Trockenheit, die „gute Nachricht“ zu erkennen und anzunehmen. Dann besteht sie darin, dass Gottes Saat-Leuten viel vergeben werden muss, damit sie nicht aufgeben, vergeblich zu handeln.
Das gilt keinesfalls für die Pfarrer und Pfarrerinnen allein. Genau wie diese warten viele Andere darauf, dass die positive Wandlung und Veränderung in ihnen selbst-mächtig nach außen drängt: in die Gemeinde, in den Stadtteil, ins Dorf. Ein Beitrag, wie groß oder klein auch immer, zu einer positiven Veränderung! Da geht es dann nicht mehr nur um geistliches Wachstum, sondern um den Einsatz für Benachteiligte, an den Rand Gedrängte, um die Mitarbeit in Naturschutz und Klimafragen. Welch hohes Engagement dürfen wir da dankbar erleben. Und zugleich gilt es da die schwierige Aufgabe zu meistern, Enttäuschungen, Fehlschläge, Vergeblichkeiten aufzufangen. Fehlschläge – so die nüchterne Bilanz des biblischen Gleichnisses – sind der Normalfall, wirkungsvolles Ernten die Ausnahme. Da würde es schon lohnen, in trotziger Auflehnung immer mal wieder ein Fest für Fehlgeschlagenes, Danebengegangenes zu feiern. Bei einem solchen Fest sollten viele Kirchenferne mit denselben Erfahrungen teilnehmen dürfen, um staunend zu erkennen: Scheitern? Kennen die! Und dazu auch noch die andere Erfahrung, dass es inmitten von Enttäuschten und Gescheiterten einen fröhlichen Haufen von Menschen gibt, die es gegen alle Versagensängste immer neu versuchen. Sie scheinen einen resistenten Kern in sich zu tragen, ein Gen, ein unvergängliches Erbgut im Saatgut des Gleichnisses, in jedem Korn. Und genau darin liegt es, dass die nüchterne Rechnung am Ende nicht aufgeht: Dreiviertel plus Einviertel ist nicht Eins. Das eine Viertel schießt ins Hundertfache. So steckt in jedem Korn ein unglaubliches Potential und die Gewißheit: es kommt gut, es kommt an, nicht selten später und oft anders als erwartet. Zu wenig? Eine Antwort finde ich in dem Gedicht von Hilde Domin mit dem Titel: Wie wenig nütze ich bin:
„Wie wenig nütze ich bin,
ich hebe den Finger und hinterlasse
nicht den kleinsten Strich
in der Luft.
Ich war hier.
Ich gehe vorüber
ohne Spur.
Ich gehe vorüber –
aber ich lasse vielleicht
den kleinen Ton meiner Stimme,
mein Lachen und meine Tränen
auf einem Stückchen Papier.
Und im Vorbeigehen,
ganz absichtslos,
zünde ich die ein oder andere
Laterne an
in den Herzen am Wegrand.
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